Spiritualität leben

Was bedeutet das eigentlich: Spiritualität leben?

Muss man dann den ganzen Tag selig lächelnd in Räucherstäbchen-geschwängerter Luft sitzen und Mantras sprechen?

Nein, das denke ich nicht. Spiritualität zu leben, bedeutet aus meiner Sicht nicht mehr, als anzuerkennen, dass es jenseits unserer bekannten Sinne noch mehr gibt. Es bedeutet den starren Wissenschaftsglauben, der sich auf mess-, zähl- und wiegelbare Ergebnisse beschränkt, aufzugeben und zuzulassen, dass es außerhalb dessen noch weitere Welten und Wahrnehmungsformen gibt.

Bei vielen Menschen kommt diese Bereitschaft in Krisensituationen. Sie suchen Kraft und Hilfe. Wenn zum Beispiel ein naher Angehöriger verstorben ist, kommt der Wunsch nach Trost auf und die Menschen suchen nach „Beweisen“ für nachtodliches Leben.

Andere Menschen haben keine krisenhafte Erfahrung gemacht, aber festgestellt, dass die reine naturwissenschaftliche Denkwelt ihnen keine Antworten auf die Fragen liefern kann, die sie beschäftigen.

Das sind oft die Einstiegs-Szenarien für die Beschäftigung mit der geistigen Welt.

Angst vor Veränderung

Manche Menschen schrecken aber davor zurück, weil ihnen bewusst ist, dass sie, sobald sie diesen Gedankengang wirklich in ihr Leben lassen, viele Dinge ändern müssen. Sie werden wahrscheinlich nicht mehr ganz so gedankenlos mit der Umwelt und den Geschöpfen umgehen können. Sie erkennen, dass ihr bisheriges Leben sich wahrscheinlich verändern wird. Das erfordert Mut.

Auch der Freundeskreis wird sich verändern.

Aber mal ganz ehrlich: Sind wir auf diese Welt gekommen um ewig Gleiches zu praktizieren? Oder können wir uns vorstellen, dass wir hier auf der Erde sind, um eine spannende Reise der persönlichen Entwicklung zu durchleben?

Beschäftigung mit der geistigen Welt als Erweiterung des Horizonts

Leider gibt es eine Menge Menschen, die sich in ihrer Beschäftigung mit der geistigen Welt eher eingeengt haben. Menschen, die sich selbst als besonders klug und weise erleben und verachtend auf die Anderen herab blicken, weil diese ja „noch nicht so weit sind“. Das ist der falsche Weg. Die Beschäftigung mit der geistigen Welt bedeutet viel mehr, anzuerkennen was ist, andere Menschen so sein zu lassen wie sie sind, weil das Wissen da ist, dass jeder Mensch seine eigenen Aufgaben und Ziele mitgebracht hat.

Es bedeutet viel mehr – zusätzlich zum alltäglichen Leben – weitere Aspekte zu sehen, zu erkennen und um ihre Existenz zu wissen. Es bedeutet aber nicht, das alltägliche Leben zu verachten und gering zu schätzen. Es ist eine Erweiterung – kein Ersatz.

Viele Menschen flüchten sich in Spiritualität, weil sie mit dem alltäglichen Leben nicht zurecht kommen. Dann ist es nicht mehr als eine Flucht.

Rudolf Steiner hat es sinngemäß einmal so ausgedrückt:

„Jeder Mensch muss zuerst einmal seine weltlichen Verpflichtungen erfüllen. Und wenn dann noch genügend Zeit und Kraft vorhanden ist, kann er (sie) sich mit dem Studium der geistigen Welt beschäftigen“.

Das ist ein sehr wichtiger Aspekt: Zuerst muss das alltägliche Leben stattfinden und hinzu können Aspekte aus der Spiritualität kommen.

Wenn ich keine Zeit habe, für meine Kinder zu sorgen, weil ich meditieren und Mantren sprechen muss, dann läuft etwas falsch. Wenn meine Kinder versorgt sind, ist Zeit zu meditieren und die für das Studium der geistigen Welt.

Spiritualität zu leben bedeutet, sich immer mehr über den geistigen Hintergrund der Dinge und der Welt bewusst zu werden. Immer öfter hinter die Fassaden zu schauen.

Aber in erster Linie bedeutet Spiritualität leben:

An sich selbst zu arbeiten. Sich selbst und das eigene Handeln immer wieder kritisch zu hinterfragen. Immer wieder erkennen, wo die eigenen dunklen Flecken sind und bereit zu sein, daran zu arbeiten.

Noch ein (sinngemäßes) Zitat von Rudolf Steiner:

„Jeder Schritt in der Erkenntnis verlangt zwei oder mehr Schritte in der Moral“.

Damit meinte er: Wenn ein Mensch anfängt, sich mit der geistigen Welt zu beschäftigen, kann er schnell auch auf den Gedanken kommen, dass man die geistige Welt zu selbstsüchtigen Zwecken missbrauchen kann. Das wäre ein Missbrauch im eigentlichen Sinne. Die Beschäftigung mit der geistigen Welt muss immer zum Wohle aller sein.

Daher sehe ich solche Bücher wie „Bestellungen beim Universum“ auch sehr kritisch. Da geht es nicht um Geben und Nehmen. Da geht es um selbstsüchtiges Erfüllen eigener Begehrlichkeiten.

Ich finde – und das ist meine persönliche Meinung – dass die Beschäftigung mit der geistigen Welt viel ernsthafter, viel gewissenhafter sein sollte. Natürlich kann man mit seinen Wünschen an sie heran treten, aber zuerst sollte man den Weg des Adepten gehen und die geistige Welt kennen lernen.

Man betritt ja auch nicht einen Raum mit vielen Menschen und fängt zuerst einmal an, alle seine Wünsche hinein zu schreien. Sondern man lernt die Menschen kennen, beschäftigt sich mit ihnen, lernt von ihnen und über sie. Und vielleicht – eines Tages – bittet man den einen oder anderen Menschen um einen Gefallen.

Und diese elementaren Höflichkeitsregeln sollte man auch im Kontakt mit der geistigen Welt berücksichtigen.

4 Kommentare zu „Spiritualität leben

  1. danke –
    für deine wahrhaftigen + schönen texte !
    es tut sehr gut,sie zu lesen + sich verstanden zu fühlen!
    alles liebe
    michaela angelina

    1. Liebe Michaela Angelina,
      ich danke Dir für Deinen netten und ermutigenden Kommentar. Ich freue mich, wenn Du viele Inhalte findest, die Dich interessieren.
      Ganz liebe Grüße
      Manuela

  2. Liebe Manuela,

    ich bin wirklich sehr berührt von Deiner Sprache. So aufmerksam, leicht und wohlwollend, so natürlich menschlich, lassend und einladend.

    Wow, danke für die kurze Begegnung mit Dir auf diesen Seiten
    Ralf

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